Sozialpolitik

Was ist eigentlich Selbstverwaltung?

"Wer an den Dingen der Stadt keinen Anteil nimmt, ist kein stiller sondern ein schlechter Bürger" - dieser Satz wurde in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts vor Christus vom Athener Perikles formuliert. Wenn Sie so wollen, finden wir hier bereits die Wurzeln von ehrenamtlicher Selbstverwaltung. Derartige Wurzeln lassen sich ebenfalls noch finden im römischen Reich (durch Volkswahlen verliehene staatliche Ehrenämter) bis hin zu der christlichen Tradition der Nächstenliebe.

In alten Zeiten war es beispielsweise Anliegen von Adligen durch Bekleidung von Ehrenämtern ihre Ehre zu steigern oder im Falle von einfachen Bürgern dadurch zu Ehren zu gelangen. Dies hat sich fortgesetzt bis zur frühen Neuzeit, denn bereits 1808 wurde die Mitbestimmung des Bürgertums in der preußischen Städteordnung festgeschrieben. Die ersten Sozialversicherungsträger mit einem Selbstverwaltungsprinzip wurden bereits 1883 mit dem Gesetz über die Krankenversicherung der Arbeiter gegründet, erstmals wurden Sozialwahlen im Rahmen des unmittelbaren Mitwirkungsprinzips in der Sozialversicherung 1913 durchgeführt.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden nicht nur die Sozialversicherungsträger gleichgeschaltet, sondern wurde auch das Prinzip der Selbstverwaltung durch das Führerprinzip ersetzt. Wie stark der Gedanke der Selbstverwaltung allerdings in Deutschland verwurzelt war und ist, zeigt sich auch daran, dass in seiner ersten Regierungserklärung der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer 1949 das Bekenntnis formulierte: "Die Selbstverwaltung muss an die Stelle staatlicher Bevormundung treten".

Relativ kurze Zeit später, nämlich am 22.02.1951, verabschiedete der deutsche Bundestag das "Gesetz über die Selbstverwaltung und über die Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung (SVG)". Dieses Gesetz legte den Grundstein für die sozialpartnerschaftliche Verwaltung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung.

So fand dann auch die erste Sozialwahl nach dem 2. Weltkrieg im Jahre 1953 statt. Grundgedanke der sozialen Selbstverwaltung als mittelbare Staatsverwaltung war und ist, dass der Staat den Institutionen der Selbstverwaltungen Aufgaben übertragen hat, die sie im Rahmen der Gesetzgebungshoheit des Staates zu erfüllen haben.

Man kann mit Fug und Recht sagen, dass der Erhalt des sozialen Friedens in der Bundesrepublik eng mit der Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung verbunden ist. Die Kompetenzen der Verwaltungsräte der unterschiedlichen Kassen und Kassenarten ermöglichen es, mit Augenmaß und Weitblick, Entscheidungen zu treffen, die auf die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Kasse abgestimmt sind. Insofern sind auch allen Bestrebungen einer Kompetenzbeschneidung klare Absagen zu erteilen. Die Handlungsfähigkeit hat die Selbstverwaltung insgesamt und die der Techniker Krankenkasse im Besonderen, immer wieder unter Beweis gestellt.Dies gilt insbesondere im Bereich des Haushaltsrechtes, des Satzungsrechtes und der Kontrollfunktion gegenüber den hauptamtlichen Vorständen.

Sie, liebe Leser, haben im Rahmen der nächsten, 2017 stattfindenden Sozialwahl erneut die Möglichkeit über die Besetzung dieses für Sie wichtigen Gremiums mitzubestimmen - nutzen Sie bitte diese Gelegenheit. Ein Vergleich mit unseren europäischen Nachbarn (siehe Ausführungen von Herrn Dr. Günter Danner) zeigt, dass wir uns glücklich schätzen können über eine solche Möglichkeit zu verfügen.

Jörg Ide, Leiter des Stabsbereiches Verwaltungsrat / Vorstand der Techniker Krankenkasse in Hamburg