Politik & Gesellschaft

Maßnahmen gegen die Fachkräftedürre: Politische Strategien für die höhere Berufsbildung!

In der Frühzeit des Menschen markierte die erste Jagd den Übergang ins Erwachsenenleben. Heute ist diese Bewährungsprobe zwar ungefährlich, aber nicht minder bedeutend: Die Berufswahl begleitet uns ein Leben lang und ist ein wichtiger Teil unserer Identität. Dies erlebe ich immer wieder in meinem Wahlkreis bei den Abschlussfeiern von Handwerk, IHK, Berufs- und Hochschulen. Doch zunehmend ist die gewählte Antwort auf die Karrierefrage nicht final: Berufsbilder wandeln sich unter dem Einfluss tiefgreifender Veränderungen wie der Digitalisierung und die Notwendigkeit zur Weiterbildung steigt.

Eine besonders wichtige Rolle spielt hierbei die höhere Berufsbildung: Techniker, Meister, Fachwirte und andere Hochqualifizierte sind für deutsche Unternehmen ein nationaler und internationaler Wettbewerbsvorteil. Immer wieder bestätigt sich, dass die besondere Stärke des Standorts Deutschlands hervorragend ausgebildete Fachkräfte sind: Ihre hohe Produktivität und Innovationsbereitschaft kompensiert hohe Lohnkosten und Sozialabgaben. Doch auch persönlich ist eine Aufstiegsfortbildung lohnend: Die Karriere- und Gehaltsperspektiven sind den akademisch Qualifizierten ähnlich und teilweise sogar besser. Auch das Arbeitslosigkeitsrisiko ist vergleichbar gering und die Chance auf eine unbefristete Beschäftigung sogar besser. Zudem: Viele Studienabsolventen werden zunehmend unterhalb ihrer Qualifikation beschäftigt. Während davon fast ein Drittel mit Universitätsabschluss betroffen ist, bleibt es bei den beruflich Qualifizierten eher die Seltenheit.

Dennoch fällt vielen die Entscheidung zur Aufstiegsfortbildung nicht leicht: Die höhere Berufsqualifizierung ist anspruchsvoll, verursacht Kosten, muss zum Teil in der Freizeit absolviert werden und die Durchfallquoten bei der Abschlussprüfung deutlich höher als in der Ausbildung. Eine Aufstiegsfortbildung setzt also ein besonders Engagement voraus und kann kurzfristig auch Einkommenseinbußen bedeuten. Um Aufstiegsinteressierte und Betriebe zu entlasten, führte die unionsgeführte Bundesregierung deshalb 1996 das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz – kurz: AFBG – ein und etablierte eine Finanzhilfe analog zum Schüler- und Studenten-BAföG. Bis Ende 2017 ermöglichte das frühere „MeisterBAföG“ mit rund 8,6 Milliarden Euro mehr als 2,2 Millionen berufliche Aufstiege. Das wichtige Instrument erfuhr seitdem viele Verbesserungen und öffnete sich zuletzt 2016 auch Studienabbrechern und Bachelorabsolventen. Als neu gefasstes „Aufstiegs-BAföG“ ist und bleibt es ein wichtiges Politikprojekt und soll in der neuen Wahlperiode um weitere 350 Millionen Euro ausgebaut werden.

Doch obwohl die beruflichen Aussichten für Techniker, Meister, Fachwirte und Co. glänzend sind und es individuell angepasste staatliche Förderleistungen gibt, liegt ihr Anteil seit den 1990er Jahren mit Schwankungen bei etwa 7 bis 9 Prozent der Bevölkerung. Der überwiegende Anteil entfällt mit ca. 50 Prozent auf die Berufsausbildung im dualen System und rund 18 Prozent verfügen über einen akademischen Abschluss zwischen Bachelor und Promotion. Unter dem Strich gehen Schätzungen davon aus, dass nur rund ein Fünftel nach abgeschlossener Ausbildung einen höheren Berufsabschluss erwirbt.

In der Bildungspolitik müssen wir uns deshalb der Frage stellen, wie die Lücke zwischen Bedarf und Angebot an Fachkräften mit höherer Berufsqualifizierung verringert oder sogar geschlossen werden kann. Ein wichtiges Signal setzten wir 2015 innerhalb des CDU-Bundesfachausschuss Bildung, Forschung und Innovation mit dem Positionspapier „Vorschläge zur Weiterentwicklung der beruflichen Bildung“ (https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/bfa-beschluss-berufliche-bildung.pdf): Unsere Forderungen umfassten die stärkere Durchlässigkeit zwischen Studium und Aufstiegsfortbildung, den Ausbau der finanziellen Förderung und einen Ausbau masteräquivalenter Fortbildungsberufe. Die politische Wirkung blieb 2016 nicht aus: Das „Aufstiegs-BAföG“ erfuhr eine deutliche Aufwertung und öffnete sich für Studienabbrecher und Bachelorabsolventen. Analog dazu nahmen die Gremien des Deutschen Qualifikationsrahmen erstmals vier Fortbildungsabschlüsse in das zweithöchste Niveau 7 auf und werteten diese damit gleichwertig zum akademischen Masterabschluss. 2014 waren Techniker, Meister und Fachwirt bereits in die bislang dem Bachelor vorbehaltene Qualifikationsstufe 6 aufgenommen worden.

Ermutigt von diesem Erfolg legten wir im Sommer 2016 ein weiteres Konzept unter dem Titel „Vorschläge zur Etablierung einer Höheren Berufsbildung“ vor (https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/160708-beschluss-bfa-bildung.pdf). Die Kernforderung umfasst die Etablierung der „Höheren Berufsbildung“ als neue berufliche Bildungsmarke, die Eltern und Schulabgänger als attraktive Alternative zum Studium wahrnehmen. Die stärkere Vereinheitlichung der jeweiligen Aus- und Weiterbildungsordnungen innerhalb eines Berufszweiges soll für mehr Transparenz und öffentliche Sichtbarkeit sorgen. Unabhängig vom Alter sollen Qualifizierte so vertieftes Fachwissen ohne ein Studium erwerben, das praxis- und anwendungsorientiert bleibt. Gleichzeitig soll die „Höhere Berufsbildung“ auch für Studienabsolventen zugänglich sein und gemeinsame Lernorte in Kooperation mit anwendungsorientierten Hochschulen entstehen. Auch berufliche und akademische (hybride) Doppelqualifikationen sollen geschaffen werden. Ebenfalls wichtig ist die Verzahnung mit der beruflichen Ausbildung: Als Auszubildende/r erworbene Zusatzqualifikationen sollen auf die spätere „Höhere Berufsbildung“ anrechenbar sein. Bereits heute sind so viele Einzelhandelsausbildungen mit der Fortbildung zum Handelsfachwirt verzahnt: Dies senkt die Hürde nach Ausbildung und erworbener Berufserfahrung eine Aufstiegsfortbildung aufzunehmen.

Viele dieser Vorschläge debattierten wir 2017 im Parlament und nahmen diese Anfang 2018 in den neuen Koalitionsvertrag auf. So ist hier die Rede von der Schaffung transparenter beruflicher Fortbildungsstufen und eine finanzielle Förderung entlang dieser drei Stufen. Auch die gemeinsamen Qualifizierungsangebote von Hochschulen und Berufsbildungseinrichtungen sowie wissenschaftliche Weiterbildung sind Teil unseres Regierungsprogramms. Als Berichterstatter für berufliche Bildung der Unionsfraktion begleite ich dieses politische Großprojekt in den kommenden Jahren. Wichtig ist mir dabei, aus den Betroffenen auch Beteiligte zu machen. Den Anfang dieser Strategie macht die neue Enquete-Kommission zur beruflichen Bildung in einer digitalen Arbeitswelt – weitere Fachgespräche und öffentliche Debatten müssen folgen! Im Kampf gegen den Fachkräftemangel ist schließlich nicht nur ein Wandel in der Bildung, sondern auch in den Köpfen der Menschen erforderlich.

ÜBER DEN AUTOR

Stephan Albani, MdB ist ein deutscher Physiker und Politiker. Seit der Bundestagswahl 2013 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages.

Foto: Stephan Albani MdB / Markus Hibbeler