Politik & Gesellschaft

Die Bildungsallianz des Mittelstandes steht für eine neue Haltung in Deutschland

Patrick Meinhardt, Generalsekretär

Wenn wir in Deutschland endlich die gleiche Debatte über einen Klimanotstand zum wirklich vorhandenen Bildungsnotstand hätten, würden wir endlich in den eigentlichen Herausforderungen für die Zukunft ankommen.

Ist es zu dramatisch von einem Bildungsnotstand zu sprechen?

Nein, das ist es aus der Sicht der Bildungsallianz des Mittelstandes nicht. Uns gibt es, weil wir gemeinsam - Lehrer, Eltern, Schüler und Mittelstand - der Politik klar machen wollen, dass die Prioritäten in der Bildung nicht so sind, wie wir sie für die Entwicklung unseres Landes brauchen.

Nichts macht dies deutlicher als das Zahlenverhältnis 2,7 Millionen: 1,1 Millionen - wir haben zur Zeit 2,7 Millionen junge Menschen im Studium und 1,1 Million in der Dualen Ausbildung. Dies ist das krasseste Missverhältnis seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland.

Die Bildungsallianz des Mittelstandes hat sich zur Aufgabe gesetzt, zusammen mit dem Bund und den 16 Bundesländern wieder ein neues Bewusstsein für den Wert von Haupt- und Realschulbildung zu starten. Das ist nicht einfach und das wird nicht einfach! Denn inzwischen gehört es ja in Deutschland fast schon zum guten Ton, ein Abitur haben zu müssen.

Diese Grundeinstellung wird durch nichts deutlicher als durch die fast schon perverse Umkehrung des Aufstiegsversprechens der 70 er Jahre. Heute ist die Grundlage unserer Bildungsberichte, dass ein junger Mensch aus einer Akademikerfamilie, der sich für eine Ausbildung entscheidet, als Bildungsabsteiger gilt. Solange wir diese Grundhaltung in unserem Land haben, laufen wir in die falsche Richtung. Unser Land braucht gute Master und gute Meister.

Wenn wir dann noch sehenden Auges tolerieren, dass 30 bis zu 50 Prozent der Studierenden ihr Erststudium in den ersten drei Semestern abbrechen, dann ist klar, dass wir unser bildungspolitisches Wertesystem neu ausrichten müssen.

Zentraler Bestandteil muss eine Kampagne zur Wertschätzung der Beruflichen Bildung sein. Dies ist eine gesellschaftliche Grundhaltung, die wir verändern müssen.

Dazu müssen wir aber so früh wie nur möglich in der Schule verankern, dass junge Menschen ihre Talente und Begabungen austesten können - und zwar sowohl bei mittleren als auch bei gymnasialen Zweigen. Und für diese zentrale Aufgabe müssen Schulen finanziell und personell ausgestattet werden, da muss es einen engen Kontakt zwischen Mittelstand und Schule geben können.

Eine kleine, aber nicht unwichtige Information am Rande: Der Bund kann Schulfördervereine finanziell unterstützen - ohne irgendwelche Grundgesetzänderungen und lange Debatten. Deswegen muss die Forderung so einfach wie klar sein: Ein bundesweites Chancenprogramm für junge Menschen, das über die Schulfördervereine unmittelbare den Schulen vor Ort zugutekommt. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass wir in Deutschland 2,3 Millionen junge Menschen bis 34 Jahre ohne schulische Ausbildung haben und Jahr für Jahr 50.000 weitere hinzukommen.

Wer aber Berufliche Bildung wirklich fördern will, der muss auch alle Teile der Aus- und Weiterbildung gleichberechtigt ins Visier nehmen. Und genau diesem Anspruch wird das Berufsmodernisierungsgesetz nicht einmal in Ansätzen gerecht. Ich glaube, wir sollten hier einfach auf Neustart drücken. Selbst aus der Mitte der Unionsfraktion werden noch viel zu viele Baustellen gesehen. Eine der offensten Flanken ist die Tatsache, dass die exzellente Technikerausbildung nicht berücksichtigt wird. Ich verstehe langsam aber sicher nicht mehr, was wir noch alles machen müssen, um dem Staatlich anerkannten Techniker endlich die Wertschätzung zu geben, die er in Deutschland haben sollte. Wir machen als Bildungsallianz aus jedem Gespräch mit einem Kultus-, Wirtschafts- und Arbeitsministerium auch eine Imageoffensive für den Techniker in Deutschland.

Zugleich aber muss die Bildungspolitik einen viel größeren Schwerpunkt auf die Stärkung der Haupt-, Real- und Berufsschulen in Deutschland legen - und das muss spürbar sein - sicherlich in der digitalen Ausstattung, aber nicht nur da: Diese wichtigen Schulen müssen sehen, welche Bedeutung sie für die Politik haben.

Und am allermeisten gilt das für die Lehrer: Uns gibt es auch als Bildungsallianz von Mittelstand und Bildungsverantwortlichen, weil wir der Politik immer wieder klar machen wollen, dass all die engagierten Lehrerinnen und Lehrer das eigentliche Kapital in der Bildung sind: die Chancengeber!

Das heißt aber auch, dass Schulen immer mehr Freiheit bei der Vergabe von zusätzlichen finanziellen Mitteln bekommen müssen, um das vor Ort zu machen, was ihrem pädagogischen Auftrag entspricht.

Und wir müssen aktiv in allen 16 Bundesländern dafür werben, dass es für junge Menschen auch attraktiv ist, den wunderbaren Beruf eines Lehrers zu ergreifen. Das ist in Deutschland anders als in anderen Ländern leider kein Selbstläufer. Und die Zahlen sind bekannt, zu welchem Zeitpunkt welcher Lehrerbedarf vorhanden ist. Umso erstaunlicher ist es immer, wenn man das Gefühl hat, dass Kultus- oder Wirtschaftsminister das irgendwie immer nur von einem Schuljahr zum anderen erkennen. Eine Millionen ausfallende Schulstunden pro Woche belastet vor allem die Schulen vor Ort.

Wir kämpfen als neue Bildungsallianz des Mittelstandes an mehreren Fronten: Es geht um eine gute frühkindliche Bildung, ein differenziertes Schulwesen, um Finanzen für die richtigen Maßnahmen und um vieles mehr. Vor allem geht es aber um eine neue Haltung in unserem Land. Und dafür steht unsere Zusammenarbeit!

Und ein letzter Gedanke: Fangen wir auch wieder an in unserem Land über Leistung in der Schule zu reden. Junge Menschen wollen etwas leisten, sie können auch darin gefördert werden. Es macht Spaß sich zu vergleichen. Und genau darum geht es auch! Deswegen auch sollten wir vorsichtig sein mit allen Forderungen nach bundesweiten Abschlüssen. Wer sich in der Bildungslandschaft Deutschlands auskennt, der weiß, dass dies immer einen Kompromiss in der Mitte bedeutet. Und das brauchen wir nicht mehr! Wir brauchen endlich eine offene Diskussion darüber, wie sehr Prüfungsniveaus in den letzten zwanzig Jahren „angeglichen“ worden sind. Wir fordern vielmehr, dass die Niveaus wieder angehoben werden. Wir haben als Bildungsallianz des Mittelstandes ein großes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit unserer Schülerinnen und Schüler!

Vorstandsvorsitzender der BVMW - Stiftung

Generalsekretär der Bildungsallianz des Mittelstandes